Putins Propagandisten sind leider recht erfolgreich darin, jegliche Kritik am Präsidenten und an seinem Regime als Ablehnung von russischen Menschen und russischer Kultur überhaupt hinzustellen. So wird jede negative Äußerung als Russophobie interpretiert, und wirtschaftliche Sanktionen gegenüber Russland werden inzwischen schon als Genozid bezeichnet und mit dem Holocaust verglichen. Die Russen seien, so heißt es, die Juden des 21. Jahrhunderts, die überall gejagt würden.
Jetzt soll nach dem Willen einiger Duma-Abgeordneter „Russophobie“ als Straftatbestand ins Gesetzbuch aufgenommen werden und die Verfolgung sich auch aufs Ausland erstrecken. Das ist offenbar eine Reaktion auf das Urteil des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag gegen Putin und seine Kinderrechtsbeauftragte Maria Lwowa-Belowa – aber nicht nur. Im Mai fand in St. Petersburg das XI. Internationale Juristische Forum statt, dort beschäftigte man sich unter anderem mit diesem Thema. Die Nachrichtenagentur ria.ru berichtet:
Die Russophobie ist heute ein eigenständiger Tatbestand, und Russland hat das Recht, ein Fernurteil gegen Ausländer zu sprechen – das sagte Tatjana Moskalkowa, die Bevollmächtigte für Menschenrechte der Russischen Föderation (…) im Laufe einer Sitzung zum Thema „Russophobie: Der Nazismus des 21. Jahrhunderts“, die im Rahmen des XI. Internationalen Juristischen Forums in Petersburg stattfand. Sie fügte hinzu, es gebe zwar in Russland schon einen Artikel „Entfachung von nationalem Hass und Zwist“, aber Russophobie sei ein eigener qualifizierter Tatbestand, der ideologische Wurzeln habe und zu gewaltigen negativen Folgen für Gesellschaft und Staat führe.
Tatjana Moskalkowa (Foto: ria.ru)
„Ungeachtet des Umstandes, dass die Täter gewöhnlich ausländische Bürger sein werden, die nicht auf unserem Territorium leben, haben wir das Recht, schon jetzt ein Urteil in Abwesenheit zu fällen – sollen sie heute zumindest auf der moralisch-ethischen Ebene, in Zukunft aber auch auf der rechtlichen, die Verantwortung für diesen Neo-Holocaust tragen“, erklärte Moskalkowa.
Mehrere Duma-Abgeordnete, unter ihnen auch der stellvertretende Justizminister Andrej Loginow, vertraten dieselbe Meinung. Die stellvertretende Vorsitzende der Duma, Irina Jarowaja (die auch eine „Kommission zur Erforschung der Tätigkeit amerikanischer Biolabore auf dem Territorium der Ukraine“ leitet), äußerte sich ebenfalls.
„Es ist unumgänglich, Änderungen in der russischen Gesetzgebung vorzunehmen, die der Russophobie entgegenwirken. Die Russophobie ist eine neue menschenverachtende Ideologie, die weltweit verbreitet wird. Diese Ideologie ist darauf ausgerichtet, Aggressionen gegen unser Land, gegen die Bürger Russlands und gegen die gesamte russische Welt zu schüren. Die jüngsten Ereignisse zeigen, dass die Russophobie neue verbrecherische und gefährliche Formen annimmt“, urteilt die stellvertretende Duma-Vorsitzende.
Irina Jarowaja wies in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des Internationalen Gerichtshofes hin, die Verhaftung Wladimir Putins und Maria Lwowa-Belowas anzuordnen, und betonte, dass der Präsident und die Bevollmächtigte für Kinderrechte „besondere Vollmachten haben, die direkt die Sicherheit der Bürger Russlands gewährleisten“.
Irina Jarowaja (Foto: duma.gov.ru)
„Und auch wenn dieser Beschluss nur quasi-gerichtlich ist, stellt er dennoch eine demonstrative Einschüchterung der russischen Bürger und einen Anschlag auf die Sicherheit jedes Einzelnen dar“, ist Irina Jarowaja überzeugt.
Details zur grassierenden Russophobie speziell in Deutschland weiß der TV-Sender „Zargrad“ zu berichten.
Screenshot der Website von „Zargrad“
Unter dem Bild eines traurig blickenden Kindes mit den russischen Nationalfarben auf der Wange und der Überschrift „Fotos russischer Kinder an der Schandmauer: Deutschland wird auf einen neuen Krieg vorbereitet“ heißt es dort:
Das heutige Deutschland von Scholz und Baerbock hat längst aufgehört, das Land von Schiller und Goethe zu sein – ein Staat mit hohem Lebens- und Kulturniveau. Inzwischen werden die deutschen Lande durch Horden von Flüchtlingen aus anderen Kulturen, aus Afrika und aus dem Nahen Osten bevölkert, die Unterstützung ohne Gegenleistung fordern. Und jetzt sind auch noch Scharen von Flüchtlingen aus der Ukraine dazugekommen.
Es herrscht ein ideologisches Diktat wie zu den Zeiten des Führers. Nur wird jetzt nicht die Überlegenheit der arischen Rasse propagiert, sondern man macht Werbung für solche mit den traditionellen deutschen Werten unvereinbaren Scheußlichkeiten wie Gendergleichheit und gleichgeschlechtliche Ehen. Von der sexuellen Aufklärung für Kinder gar nicht zu reden. Damit werden sogar die Schüler in christlichen Schulen gequält.
Nicht zufällig bemüht sich inzwischen eine beträchtliche Zahl von Russlanddeutschen aktiv darum, zurückzukehren. Umso mehr, weil im Land eine zügellose Russophobie um sich greift, die sich im Grunde in nichts von der antijüdischen Propaganda des Nationalsozialismus unterscheidet. Man kann nur staunen, dass sich trotz alledem in Deutschland noch Menschen finden, die Blumen vor den Denkmälern für unsere Kämpfer niederlegen. Und es gibt auch die, die gegen die Hilfe für das ukrainische Regime protestieren.
Die einzige politische Partei, die sich dieser verderblichen Strömung widersetze, sei die AFD, die aber übelst verleumdet werde:
Es geht hier um die zweitbeliebteste Partei im Land. Und diese Partei, die jeder fünfte Deutsche unterstützt, in den Ländern der ehemaligen DDR sogar die Mehrheit, will man mit allen möglichen Wahrheiten und Unwahrheiten verbieten und verpasst ihr das Etikett „Rassisten“ und „Faschisten“.
Damit meint man die Ablehnung von Gewalt durch Migranten, die Unzufriedenheit mit den zerstörerischen antirussischen Sanktionen, die Verteidigung traditioneller Werte. Im heutigen Europa nennt man das jetzt Rassismus. Alles das ist aber der Aufstand gegen das Diktat der Demokratischen Partei der USA, die hier die gleiche Rolle spielt, die im Mittelalter der römische Papst hatte, der die unbotmäßigen Länder exkommunizierte und alle Zweifler auf den Scheiterhaufen schickte.
Aller Terror gegen die Russen und ihre Diskriminierung dagegen gilt nicht als Nazismus. (…) Käme morgen irgendwer in der EU auf die Idee, die Russen in Konzentrationslager zu sperren, so würde wohl auch das unter der Sauce „Kampf für die Demokratie“ serviert werden.
Zwar kann nicht einmal „Zargrad“ behaupten, in Europa würden Russen in KZs gesteckt, aber es gibt andere Schikanen:
Nun noch zu einer von der deutschen Regierung eingeführten „Neuerung“. Auf eine derart zynische Räuberei ist bislang noch kein anderes Land der EU verfallen. Sogar die in Sachen Russophobie immer führenden Länder des Baltikums und Polen dürften sich jetzt vor Neid schwarz ärgern, dass sie nicht selbst auf diese Idee gekommen sind.
Um es frei heraus zu sagen: In Deutschland plündert man Russen aus, beschlagnahmt ihre Privatautos, in denen sie angereist sind. Grundlage? Nun, in der heutigen EU reicht der Wunsch, einen Russen auszurauben, schon aus, eine Rechtfertigung wird sich immer finden. Und so hat der deutsche Zoll, mit dem Hinweis darauf, dass die Einfuhr von PKWs aus Russland nach Deutschland verboten sei, beschlossen, dass auch die Anreise in Privatautos als „Warenimport“ und Verstoß gegen die Sanktionen gilt.
„Das eigene Auto kann man schwerlich als Ware bezeichnen. Aber beim deutschen Zoll besteht man darauf: Das Embargo sieht keine Ausnahmen vor“, sagt (der Politologe, d. Ü.) Alexander Sewastjanow.
Mit anderen Worten, das, was der deutsche Zoll da tut, riecht nach Faschismus in Reinform.
(…)
Heute terrorisiert man die Menschen, die aus Russland kommen, um ihre Verwandten zu besuchen, und morgen macht man sich über die ethnischen Russen her, von denen dort, je nach Schätzung, bis zu fünf Millionen leben. Die Fotos russischer Kinder hängt man in den Schulen schon am Schwarzen Brett der Schande auf …
(Der Link zum russischen Originaltext, der hier ursprünglich stand, führt inzwischen ins Nirwana, da die Website von „Zargrad“ seit Dezember 2023 Monaten von der EU blockiert wird. Nun muss der Screenshot als Beleg dienen.)
Die letzte Behauptung ist vermutlich frei erfunden – oder gibt es in Deutschland oder sonstwo in der EU Schulen mit derartigen Aushängen? Es gab sie aber in der Sowjetunion, als Erziehungsmaßnahme nicht nur in Schulen, sondern vor allem in Betrieben: die Ehrentafel für die verdienten Arbeiterinnen und Arbeiter, die Schandtafel für die, die schlecht gearbeitet oder blaugemacht hatten („доска почёта“ bzw. „доска позора“).
„Zargrad“, die Website, aus der oben zitiert wurde, gehört zu den Medien, die besonders schrille Propaganda verbreiten. Es gibt auch gemäßigtere Töne. In der Zeitung „Wedomosti“ wird ebenfalls ausführlich zum Thema Russophobie als möglichem neuen Straftatbestand berichtet, und es werden Experten befragt – die sich deutlich verhaltener äußern. Alexander Tschutschajew, Professor für Strafrecht und ebenfalls Teilnehmer des eingangs erwähnten Forums, hält die Idee für …
… sehr interessant, aber ziemlich schwierig zu realisieren. (…) Eine Ideologie zu kriminalisieren ist praktisch unmöglich. Oder aber man müsste die gesamte Architektur des Strafrechts ändern. Das Strafgesetzbuch sieht ja vor, dass nur eine Handlung oder eine unterlassene Handlung eine Straftat sein kann.
Und ein Moskauer Anwalt stellt fest:
Der Vorschlag, Russophobie unter Strafe zu stellen, scheint mir unausgewogen und nicht überlegt. (…) Der Begriff „Russophobie“ muss auf jeden Fall definiert werden, es muss klar sein, welche konkreten Handlungen unter einen solchen Straftatbestand fallen. Und dann stellt sich konsequenterweise die Frage: Wird die Einführung einer strafrechtlichen Verfolgung von Russophobie nicht automatisch die anderen Völker unseres multinationalen Staates diskriminieren?