Oleg Gasmanow ist nur ein Jahr früher als Wladimir Putin geboren, 1951, und einer seiner treuesten Fans – und umgekehrt schätzt auch Putin den in Russland seit Jahrzehnten bekannten und beliebten Sänger, der nicht nur viele Musikpreise gewann, sondern auch militärische und patriotische Auszeichnungen erhielt.

Konzertplakat für Gasmanows Tournee „Vorwärts, Russland!“, März 2023

Gasmanow begrüßte 2014 die Annexion der Krim, unterstützt den Krieg gegen die Ukraine und forderte vor einigen Jahren sogar die Todesstrafe für Gegner von Putins Regime, wie man in einem Artikel des Internet-Nachrichtenportals dzen.ru vom April 2018 nachlesen kann:

Der Musiker meint, Putin sei gegenüber der Opposition zu nachsichtig. Seiner Ansicht nach müsse man die Kritiker der Regierung nicht nur administrativ zur Verantwortung ziehen, sondern unbedingt auch strafrechtlich – bis hin zur Erschießung.

Gasmanow glaubt, dass der Präsident den richtigen politischen Kurs fährt, der Russlands Stellung in der internationalen Arene festigt. Der Sänger hat wiederholt erklärt, militärische Stärke sei der wichtigste Faktor eines starken und entwickelten Landes.

Zusammen mit anderen Stars des Showbusiness unterstützte Oleg Gasmanow Putin bei der Wiedereingliederung der Krim, die für ihn die historische Gerechtigkeit wiederherstellt.

Für seine politischen Ansichten wurde der Sänger zusammen mit seinem Sohn auf der ukrainischen Website „Mirotworez“ („Friedensstifter“) in die Rubrik „Fegefeuer“ aufgenommen. Gasmanow hat ein Einreiseverbot für die Ukraine.

https://dzen.ru/a/WtYUELzmfmP-Q3YH

Der Sohn heißt Rodion, singt ebenfalls und gehört zu den 500 Personen, darunter viele Prominente aus dem Showgeschäft, die Putin für die Wiederwahl im März 2024 vorgeschlagen haben (da Putin offiziell keiner Partei angehört, braucht er laut russischem Recht eine Gruppe von mindestens 500 Leuten, die ihn zur Nominierung vorschlagen, sowie 300.000 Unterschriften).

Der „Friedensstifter“ ist eine umstrittene ukrainische Website, in deren „Fegefeuer“-Rubrik tatsächliche oder vermeintliche Feinde der Ukraine aufgelistet werden.

Gasmanow und Putin, links um 2000, rechts 2012 – Gasmanows Haare sind inzwischen etwas schütter und grau geworden, dafür haben sich seine Orden vermehrt.
(Fotos: dzen.ru)

2015 komponierte, textete und sang Gasmanow ein Lied, das mittlerweile oft als inoffizielle Hymne Russlands bezeichnet wird. Er trat damit auch im März 2022 bei der Großveranstaltung im Sportstadion Luschniki zum achten Jahrestag der Annexion der Krim auf, im musikalischen Rahmenprogramm zu Putins Rede.

„Vorwärts, Russland – Land der Helden“ heißt das Lied, und das ist der Text:

Im Video zum Lied wird optisch alles aufgefahren, was geeignet ist, um Russlands Größe und Stärke zu demonstrieren: mächtige Braunbären, schneebedeckte Bergketten, dichte Wälder, glitzernde Seen, das riesige Denkmal der Mutter Heimat bei Wolgograd, die wieder erbaute Erlöserkathedrale in Moskau; außerdem ein wilder Mix aus historischen Wochenschauen: Rotarmisten im Zweiten Weltkrieg, die Einnahme von Berlin 1945 mit am Boden liegenden Hakenkreuzfahnen, Gagarin in seiner Weltraumkapsel, das olympische Feuer in Sotschi und siegreiche russische Sportler. Und schließlich salutierende Soldaten, die die meterhohen Türen zum Kremlsaal aufreißen – Putin betritt die Szene. Dazwischen immer wieder bedrohlich wirkendes Militär – marschierende Soldaten, rollende Panzer, Geschwader von Kampfflugzeugen. Ein bisschen Kitsch mit glücklichen Eltern und strahlenden Kindern am Ende fehlt auch nicht. Es ist schon eine Leistung, in 3.27 Minuten so viele Klischees untergebracht zu haben.

Aktualisierung vom 18. September 2025: Das hier ursprünglich eingefügte Youtube-Video ist inzwischen nicht mehr verfügbar, so muss es leider bei der Beschreibung bleiben. Hier eine andere Version mit russischen und englischen Untertiteln und ziemlich ähnlichen Bildern, ich hoffe, sie bleibt etwas länger erhalten:

Die Antwort auf diese Propaganda-Hymne gab die Rockgruppe „Nogu svelo!“ letztes Jahr nach dem Beginn des Krieges. Ihr Lied trägt den Titel „Zurück, Russland“. Auch „Nogu svelo!“ steht schon seit Jahrzehnten auf der Bühne und gehört zu Russlands erfolgreichsten Rockbands.

Screenshot aus dem Video von „Nogu svelo!“

Frontmann Maxim Pokrowski singt und trommelt sich in dem Video die Seele aus dem Leib, während man im Hintergrund erst Bilder aus englischen Fußballstadien sieht, mit Spielern, die sich die ukrainische Fahne um den Körper gewickelt haben. Es folgt die Truppenparade auf dem Roten Platz vom alljährlich gefeierten „Tag des Sieges“ – aber hier marschieren die Bataillone und Kompanien alle rückwärts, die Panzer fahren zurück statt vor, die Flugzeuge scheinen vom Himmel zu fallen, und zu guter Letzt fährt Verteidigungsminister Schoigu, in seiner Limousine stehend und salutierend, vom Roten Platz in den Kreml zurück. Der Text des Liedes ist so einfach wie wirkungsvoll:

Maxim Pokrowski bekam dafür keine Orden wie Gasmanow. Stattdessen setzte ihn das russische Justizministerium auf seine Liste der „ausländischen Agenten“. Pokrowski lebt inzwischen in den USA. Als Lied und Video im Mai 2022 erschienen, gab er der russischen Exilzeitung „Nowaja Gaseta“ ein Interview und sagte darin u. a.:

Wir haben uns entschlossen, „Zurück, Russland“ am 9. Mai, zum Tag des Sieges, herauszubringen, und das ist eine bewusste Entscheidung. Natürlich muss man auch die übrigen 364 Tage im Jahr daran denken, dass es nichts Wichtigeres gibt als einen friedlichen Himmel über dem Kopf. Aber der 9. Mai ist ein besonderer Tag. Und für die Ukrainer ist er genauso wichtig wie für die Russen. Sie haben, wie auch die Vertreter anderer Völker, Schulter an Schulter zusammen mit den Russen gekämpft. Der Mann der Tante meiner Mutter, den ich immer Opa genannt habe, Iwan Illarionowitsch Luzenko, war Ukrainer, er hat den ganzen Vaterländischen Krieg mitgemacht. Er lebt nicht mehr, und ich habe nicht das Recht, in seinem Namen zu sprechen. Aber ich wage zu behaupten, dass er seine Heimat, zu der die Ukraine gehörte, nicht verteidigt hat, damit jetzt russische Bomben auf sie fallen.

Es gibt wenig Erfreuliches zurzeit. Aber der „Olé-Olé“-Stil, in dem das Lied geschrieben ist, soll trotzdem begeistern und motivieren. Mir persönlich macht er eher noch mehr Angst. Dass man an das eigene Volk mit dem Schlachtruf der Fußballfans appellieren muss, mit dem Gemetzel aufzuhören – ist das nicht das Grauen in seiner höchsten Konzentration? Aber jetzt brauchen wir genau das: einen Appell an die einfachen menschlichen Gefühle, Mutterliebe, Gefühle für unsere Liebsten, Liebe zu unseren Kindern.

https://novayagazeta.eu/articles/2022/05/09/nazad-rossiia

Die russischen Texte der beiden Lieder findet man an vielen Stellen im Internet, den Text von Gasmanow z. B. hier: https://blatata.com/pesni/9276-oleg-gazmanov-vperyod-rossija.html, den von „Nogu svelo!“ samt Übersetzungen in verschiedene Sprachen hier: https://lyricstranslate.com/en/nazad-rossiya-zuruck-russland.html.