RUSSLAND HEUTE

Vor fünf Jahren, als Finnland und Schweden in Russland noch nicht als „unfreundliche“ Länder galten, entstand am südwestlichen Stadtrand von Moskau ein neues Wohnviertel namens „Skandinavija“ mit bunten Hochhäusern und viel Grün. Es gibt dort einen „Skandinavischen Boulevard“, eine „Edvard-Grieg-Straße“ und im Zentrum einen „Tove-Jansson-Platz“ zu Ehren der finnlandschwedischen Malerin und Kinderbuchautorin, der Erfinderin von Mumin und Anhang.

Und noch letztes Jahr, im Juli 2022, wurde auf diesem Platz das weltweit erste Denkmal für Tove Jansson aufgestellt. Es zeigt sie mit Pinsel und Palette und einem kleinen Mumintroll zu ihren Füßen.

Foto: Wikimapia

Über den Platz verteilt sind weitere Skulpturen, die Figuren aus ihren Büchern darstellen: So sitzen zum Beispiel Muminvater und Muminmutter auf einer Wippe, dazwischen ihr Sohn Mumin mit seinen Freunden (und am oberen Rand ist noch etwas Platz für Menschenkinder).

Foto: Wikimapia

Zur Begrüßung und Einweihung der Skulpturen wurde ein fröhliches Sommerfest gefeiert.

Die putzigen Mumintrolle sind bei russischen Kindern sehr beliebt, alle Bücher Tove Janssons sind ins Russische übersetzt und mehrfach verfilmt worden. Eine der ältesten und bekanntesten Rockbands Russlands heißt „Mumi Troll“. Und auch als Werbeträger sind sie überall präsent – sie prangen auf Tassen und Tellern, auf Schokoriegeln, Bonbontüten und Cornflakes-Packungen, es gibt Muminkalender und Mumin-Christbaumanhänger.

Oder besser gesagt, das gab es alles. Denn jetzt hat die finnische Gesellschaft „Moomin Characters“, die den Erben Tove Janssons gehört, den Beschluss gefasst, die bestehenden Lizenzen für die Muminfiguren als Werbeträger innerhalb Russlands nicht zu verlängern und keine neuen Lizenzen mehr zu vergeben – als Zeichen des Protestes gegen den Ukrainekrieg.

Die gute Nachricht für die kleinen und großen Fans der Trollfamilie: Der Boykott betrifft nicht die Bücher und Filme, die dürfen auch weiterhin gedruckt und gesendet werden, sondern nur die Nutzung der Figuren für die Vermarktung anderer Produkte. Allerdings musste deshalb bereits ein für März/April geplantes mehrtägiges „Frühlingsfestival der Mumintrolls“ im Moskauer Einkaufszentrum Afimoll abgesagt werden. Für Mumin soll dort nun ein anderer Liebling der Kinder einspringen, das großohrige Fantasietierchen Tscheburaschka (bei uns bekannt als Maskottchen der russischen Olympiamannschaft).

Das Moskauer Stadtmagazin „MoskvichMag“ berichtet:

Ein Mitarbeiter der Agentur Brand4rent, die die Interessen der Gesellschaft „Moomin Characters“ vertritt, bestätigte, dass die Ausstellung neuer Lizenzen „im Zusammenhang mit den Ereignissen in der Welt“ gestoppt worden sei. Stattdessen könne man bei der Agentur eine Lizenz für den beliebten Tscheburaschka erhalten.

Das „Frühlingsfestival der Mumintrolls“ sollte vom 24. März bis 2. April im Afimoll stattfinden. Im Eintrittspreis inbegriffen waren eine Ausstellung mit allen Comics von Tove Jansson, Mumin-Werkstätten, eine Theateraufführung „Mumin und der Hut des Zauberers“ und ein Büchermarkt.

Man kann nur hoffen, dass die Skulpturen, die vergangenes Jahr im Neubaugebiet aufgestellt wurden, von dieser durch „Moomin Characters“ getroffenen Entscheidung unangetastet bleiben.

https://moskvichmag.ru/gorod/nasledniki-tuve-yansson-zapretili-ispolzovat-obrazy-mumi-trollej-v-rossii/

Von der Website des Einkaufszentrum sind inzwischen alle Ankündigungen dieses oder eines anderen Kinder-Festivals verschwunden. Die Nachrichtenagentur TASS teilt mit, dass das für die Zeit der Schulferien vorbereitete Festival kurzfristig komplett abgesagt und auch alle im Vorfeld geschaltete Werbung entfernt wurde. Die Enttäuschung bei Kindern und Eltern dürfte groß gewesen sein.

Die Gäste sollten das Tal besuchen, in dem die Märchenfiguren leben, in Mumintroll-Werkstätten selber ein Schiff bauen und sich damit auf die Reise über den Zauberfluss begeben. Als Abschluss waren ein Theaterstück und eine Ausstellung geplant.

https://tass.ru/obschestvo/17364043

Im November 2022 gab es bei Afimoll übrigens schon mal ein großes Kinderfest mit schwedischen Figuren – sechs Tage lang drehte sich dort alles um Petterson und Findus.