RUSSLAND HEUTE

Geplant: Berufsverbote für Migranten

Die Partei „Gerechtes Russland – Für die Wahrheit“ hat letzte Woche einen Gesetzesentwurf eingebracht, der vorsieht, den Zugang zu Berufen in „empfindlichen sozialen Bereichen“ für Arbeitsmigranten zu sperren.

Arbeitsmigration nach Russland findet vor allem aus Zentralasien und aus den dortigen ehemaligen Sowjetrepubliken statt. Die meisten Migranten arbeiten auf dem Bau (mehr als die Hälfte), viele für Kurier- und Lieferdienste, als Taxi- und LKW-Fahrer, auch als Hausangestellte.

Nachdem der Zustrom in der Corona-Zeit gesunken war, steigen die Zahlen seit 2022 wieder deutlich an und haben sich bei etwa 9 bis 11 Millionen pro Jahr eingependelt, im zweiten und dritten Quartal gewöhnlich mehr als im ersten und letzten (viele Migranten sind Saisonarbeiter). Die folgende Grafik von Rosstat/EMISS, der staatlichen russischen Statistikbehörde, zeigt die Verteilung auf die unterschiedlichen Herkunftsländer. Die Zahlen (in Tausend) beziehen sich auf das erste Quartal 2023.

„Aus welchen Ländern Arbeitsmigranten nach Russland kommen“ lautet die Überschrift.

Im ersten Quartal dieses Jahres kamen insgesamt 1.294.000 Arbeitsmigranten nach Russland, und zwar weitaus überwiegend aus Usbekistan (48,8 %), Tadschikistan (27 %) und Kirgistan (13,3 %) – alle drei arme Länder mit hoher Arbeitslosigkeit. Es folgen mit erheblichem Abstand Armenien, Kasachstan und Aserbaidschan. Alle anderen machen zusammen nur 2,4 % aus.

Russland braucht diese „Gastarbeiter“ („гастарбайтеры“ – den Ausdruck hat man aus dem Deutschen übernommen) und setzt sie vorwiegend für schwere und schlecht bezahlte körperliche Arbeit ein. Es liebt sie aber nicht besonders, in der Bevölkerung sind sie wenig angesehen und werden oft als Menschen zweiter Klasse betrachtet. Die durchweg negative Presseberichterstattung über Migranten verstärkt diese Einstellung noch.

Das geplante Gesetz – zu dem Putin sich bereits wohlwollend geäußert hat – spiegelt das nur zu deutlich wider. Die Nachrichtenagentur TASS berichtet:

Eine Gruppe Abgeordneter mit Sergej Mironow, dem Vorsitzenden der Partei „Gerechtes Russland – Für die Wahrheit“ an der Spitze, hat der Duma ein Gesetzesprojekt vorgelegt, das ausländischen Staatsbürgern verbieten soll, in Schulen, als Taxifahrer und in medizinischen Einrichtungen zu arbeiten. Das Dokument ist in der Datenbank der Duma einsehbar.

Das Gesetzesprojekt sieht Änderungen im Gesetz „Zur Rechtslage ausländischer Bürger in der Russischen Föderation“ vor. In Übereinstimmung mit den geltenden Normen ist die Regierung der Russischen Föderation berechtigt, einmal jährlich unter Berücksichtigung der regionalen Besonderheiten des Arbeitsmarktes und bei gleichzeitiger Priorisierung der Arbeitsaufnahme russischer Bürger den zulässigen Anteil ausländischer Arbeitnehmer in den unterschiedlichen Wirtschaftszweigen festzulegen. „Das Gesetzesprojekt schlägt ein vollständiges Verbot für die Tätigkeit von Migranten in besonders empfindlichen sozialen Bereichen vor, in denen die unqualifizierte Arbeit ausländischer Arbeitnehmer mehr Schaden als Nutzen bringen kann“, heißt es in der Erläuterung.

Diese „empfindlichen Bereiche“ umfassen das gesamte Spektrum medizinischer Berufe einschließlich der Arbeit in Apotheken, den Komplex schulischer Bildung sowie die Tätigkeit als Taxi- oder LKW-Fahrer:

Die Autoren der Initiative erklären, das geplante Gesetz solle verbieten, Migranten in folgenden Bereichen zu beschäftigen: im Bereich medizinischer Dienstleistungen in Einrichtungen und Organisationen der staatlichen und kommunalen Gesundheitssysteme und im Bereich der schulischen Bildung. Weiterhin soll die Tätigkeit im Handel mit Medikamenten für Migranten verboten sein sowie die Arbeit als Taxifahrer und als LKW-Fahrer bei der Güterbeförderung, „wo ein deutlicher Anstieg von Verkehrsunfällen unter Beteiligung von Migranten festzustellen ist, darunter auch solche mit tödlichem Ausgang“.

„Die Realisierung des Gesetzesprojektes wird den Zuwachs von Migranten in den genannten Wirtschaftszweigen stoppen und den Bürgern der Russischen Föderation zusätzliche Arbeitsplätze zur Verfügung stellen“, betonen die Abgeordneten.

https://tass.ru/obschestvo/18929933

Auf dem Wirtschaftsforum in Wladiwostok vor einigen Tagen sprach sich Putin für diese Gesetzesinitiative aus:

Die Interessen russischer Bürger seien höher zu bewerten als der Zustrom von Migranten, erklärte der Präsident der Russischen Föderation Wladimir Putin in seiner Rede auf dem Östlichen Wirtschaftsforum.

Auf die Frage nach der gestiegenen Zahl von Zuwanderern und dem Entstehen von gefährlichen Bezirken wie im Westen antwortete der Präsident, Russland müsse das im Auge behalten und dürfe eine solche Entwicklung nicht zulassen.

Außerdem merkte Waldimir Putin an, dass Russland keine Migranten auf seinem Arbeitsmarkt mehr benötige, wenn es erst neue Technologien im Land gebe. Für deren Einführung sei aber noch Zeit nötig, sagte er.

https://aif.ru/society/putin_zayavil_chto_interesy_rossiyan_prevyshe_potoka_migrantov_v_stranu
Arbeitsmigranten in Moskau, Foto: Iwan Sekretarjow / AP

Nicht zu den „empfindlichen Bereichen“, in denen Migranten unerwünscht sind, gehört der Wehrdienst in der militärischen Spezialoperation – im Gegenteil, als Söldner im Krieg sind sie gefragt und können dann sogar zügig eingebürgert werden:

Er (Putin) unterzeichnete auch einen Erlass, der es erlaubt, ausländischen Bürgern, die während der Dauer der Spezialoperation in der Ukraine einen Vertrag über die Ableistung des Wehrdienstes in der Russischen Armee geschlossen haben, die russische Staatsbürgerschaft in einem vereinfachten Verfahren zu gewähren.

https://aif.ru/society/education/medvedev_prizval_sozdat_mehanizmy_obucheniya_detey_migrantov_russkomu_yazyku

„Also nur auf dem Bau oder als Mörder in der Ukraine“ – so lautet der lakonische Kommentar in einem russischen Telegram-Kanal zu diesen Nachrichten.

https://tlgrm.ru/channels/@veraafanasyeva/26630