RUSSLAND HEUTE
In dem Flugzeug, das am 23. August durch eine Bombe oder eine Rakete abrupt vom Himmel geholt wurde, saßen nicht nur Jewgeni Prigoschin, Dmitri Utkin, Waleri Tschekalow und vier weitere Wagner-Männer, sondern es gab auch noch drei Besatzungsmitglieder: zwei Piloten und eine Flugbegleiterin. In vielen Berichten kamen sie gar nicht vor, in manchen wurden sie erwähnt, aber nicht namentlich – sie waren ja auch nicht Ziel des Anschlags, sondern nur bedauerliche, aber aus Sicht der Mörder unvermeidliche und letztlich unerhebliche Kollateralschäden.
In einigen russischen Zeitungen habe ich Informationen zu diesen drei Menschen gefunden und auch Fotos.
Der Co-Pilot
Der jüngste von ihnen war der Co-Pilot, der 29jährige Rustam Kamirow aus Perm, einer Millionenstadt im Vorland des Ural.

Journalisten der „Komsomolskaja Prawda“ haben nach dem Unglück mit seinem Vater gesprochen:
„Für meinen Sohn war das Fliegen der Traum seiner Kindheit“, erzählte uns Rustams Vater Schukur Kamirow. „Er hat die Fliegerschule von Sassowo absolviert, in der Armee gedient und nach seiner Entlassung sofort angefangen zu arbeiten. Er war bei S7 Airlines angestellt. Als die Pandemie begann, hat er die Stelle verloren, es flogen keine Flugzeuge mehr, und er saß ohne Arbeit da. Dann hat er wieder eine Stelle gefunden, ein halbes Jahr gearbeitet, dann kam die Spezialoperation, da gab es wieder keine Flüge. Und vor zwei Monaten hat er bei dieser Fluggesellschaft eine Anstellung bekommen, ist von Perm nach Petersburg gezogen, kaum geflogen und jetzt das.“
Von seiner Arbeit hat Rustam Kamirow niemandem etwas erzählt.
„Er hat niemals davon gesprochen, wen er befördert hat“, seufzt sein Vater. „Auch was er verdient, hat er nie erwähnt. Von Jewgeni Prigoschin habe ich nichts gewusst. Das letzte Mal habe ich mit meinem Sohn kurz vor diesem Flug gesprochen, er hatte seine Mutter angerufen. Er hat nach meiner Gesundheit gefragt, nach der Gesundheit der Mutter, wollte wissen, was so läuft. Dann hat er gesagt: ‚Ich gehe jetzt an Bord.‘ Wir haben ihm einen guten Flug gewünscht. Irgendwelche Vorahnungen hat er nicht gehabt. Ob er sich das Flugzeug genauer angesehen hat oder nicht, ist mir nicht bekannt.“
In Petersburg lebt die Ehefrau des Piloten. Beim Anruf der „Komsomolskaja Prawda“ weinte die junge Frau und war nicht imstande, sich zu äußern.
„Mein Sohn hatte noch keine Kinder“, sagt Schukur Kamirow. „Er und seine Frau waren schon vier Jahre zusammen. Sie planten Kinder. Sie warteten die ganze Zeit, wann er wieder Arbeit haben würde. Sie wollten ein Kind in der nächsten Zeit, aber dazu ist es nun nicht mehr gekommen. Seine Frau ist jetzt in Petersburg, es geht ihr sehr schlecht. Wir fühlen uns auch schlecht, wir haben noch eine Tochter, aber er war unser einziger Sohn.“
https://www.kp.ru/daily/27546/4813552/
Die Flugbegleiterin
Die einzige Frau an Bord war die 39jährige Kristina Raspopowa, gebürtig aus Kasachstan, geschieden und ohne Kinder, wie die Online-Zeitung 74.ru von Bekannten der Frau erfuhr.

„Sie hatte immer einen starken Charakter“, erzählt unser Gesprächspartner. „Sie ist nach Moskau gegangen, um weiterzukommen, Karriere zu machen. Sie hatte Biss.“
https://74.ru/text/incidents/2023/08/24/72630758/?utm_medium=ios&utm_source=app
Ihre Bekannten wussten nur, dass sie mittlerweile von Moskau nach Petersburg gezogen war und dort für eine private Fluggesellschaft arbeitete, nicht fest angestellt, sondern auf Abruf. Sie soll oft für VIP-Flüge engagiert worden sein. Das letzte Foto, das Kristina auf ihrem Facebook-Account veröffentlichte, hat sie am Tag des Absturzes kurz vor dem Abflug gemacht, es zeigt ihren gepackten Koffer und ihren letzten Imbiss, und sie schreibt dazu, dass der Start sich verzögere.
Die Website des TV-Senders Zargrad berichtete am 31. August, dass Kristina Raspopowa inzwischen in ihrer Heimatstadt Rudny in Kasachstan beigesetzt worden sei:
Jelena Abramenkowa, die Tante der Verstorbenen, erklärte, dass in Rudny die Mutter von Kristina lebt: „Ihr hat man den Sarg überbracht und Kristina heute beerdigt. Ihre Mutter hat mir erzählt, der Zoll habe sie drei Stunden lang festgehalten und nicht durchgelassen.“ Sie berichtete weiter, die Familie habe keine Zweifel, dass Kristina tot sei: Der Bruder habe einen DNA-Test machen lassen, um ihre Identität festzustellen.
https://kz.tsargrad.tv/news/kristinu-raspopovu-pogibshuju-v-samoljote-prigozhina-pohoronili-v-kazahstane_857952
Der Chefpilot
Alexej Lewschin, 51 Jahre, war der Chefpilot des Unglücksfluges. Nach allem, was man weiß, ist er wohl regelmäßig mit Prigoschin geflogen. Der 23. August war der erste Arbeitstag nach seinem Urlaub.

Die Journalisten sprachen mit seinem Sohn Jegor:
„Mein Vater arbeitete im Schichtdienst. 15 Tage war er zu Hause, dann 30 Tage auf Arbeit. Geflogen ist er nur in Russland, aber solange ich zurückdenken kann, saß er immer am Steuer. Vor ca. 30 Jahren hat er angefangen“, erinnert sich sein Sohn im Gespräch mit der Zeitung.
Die Familie Lewschin ist groß und hält fest zusammen. Zwanzig Jahre Ehe, zwei erwachsene Kinder. (…)
„Wir haben uns immer gefreut, wenn er zurückkam, und er hat uns immer Geschenke mitgebracht. Vor Kurzem brachte er mir aus irgendeiner Stadt eine Original-Cola mit“, erinnert sich Jegor mit einem Lächeln.
Freunde beschreiben Alexej als echten Familienmenschen. Frau und Kinder standen für ihn immer an erster Stelle, und sie fühlten sich mit dem mutigen Piloten wie hinter einem Schutzwall. (…)
„Zum letzten Mal haben wir ihn am 22. August gesehen, danach wurde er zum Dienst gerufen. Er hat sehr rasch seine Sachen gepackt, sich beeilt, aber wir haben uns keine besonderen Sorgen gemacht, wir hatten keine böse Vorahnung. Er wusste, wen sie fliegen würden, hat aber weiter nichts dazu gesagt“, erzählt Jegor.
Wie die Familie des ums Leben gekommenen Piloten sagt, gab es noch keine Identifizierung. Sie warten auf den Anruf der Ermittler. Die Fluggesellschaft hat ihnen schon ihr Beileid ausgesprochen.
https://www.kp.ru/daily/27546/4813634/
