In den 1960er Jahren war Jewgeni Jewtuschenko (1932 – 2017) der berühmteste Lyriker der Sowjetunion, von der Jugend verehrt wie bei uns ein John Lennon oder Jimi Hendrix. Er füllte ganze Sportarenen mit öffentlichen Auftritten und Lesungen seiner Gedichte, er galt als Kritiker und Rebell, ging aber nie so weit, dass es zum Bruch mit der Staatsmacht kam. Und das Regime belohnte ihn dafür mit Privilegien, ließ ihn ins Ausland reisen, nach Paris, London, in die USA, wo er von Richard Nixon empfangen wurde und mit Tennessee Williams zu Abend speiste.

Man benutzte den jungen Dichter geschickt als Aushängeschild für die angeblich weltoffene und fortschrittliche Sowjetunion, auch wenn er zu Hause immer wieder aneckte. Die sowjetischen Panzer, die 1968 durch Prag rollten, zerstörten diese Illusion und brachten Jewtuschenko wahrscheinlich auch um den Literaturnobelpreis, für den man ihn 1963 erstmals nominiert hatte. Während der Perestroika war er mehrere Jahre im Präsidium des Schriftstellerverbandes und engagierte sich bei der Menschenrechtsorganisation „Memorial“. Die letzten Jahrzehnte seines Lebens verbrachte er vorwiegend in den USA, wo er an der Universität Tulsa / Oklahoma russische Literatur lehrte.

Ende der 1960er Jahre schrieb Jewtuschenko ein ungewöhnliches, ergreifendes Gedicht aus der Perspektive eines gefangenen Tieres: den Monolog eines schönen Blaufuchses, der im Käfig einer Zuchtfarm eingesperrt ist und sich nach Freiheit sehnt, dann aber mit der Freiheit überfordert ist und freiwillig in die Gefangenschaft zurückkehrt – wo ihn der sichere Tod erwartet.

Das Gedicht wurde in der Sowjetunion fast über Nacht bekannt, obwohl es nur als Manuskript von Hand zu Hand ging und in keinem Buch und keiner Zeitschrift veröffentlicht wurde. Jewtuschenko handelte sich eine Rüge der sowjetischen Regierung ein (die damit indirekt zugab, die Botschaft des Gedichtes sehr gut verstanden zu haben).

Der junge Jewgeni Jewtuschenko (Collage aus Buchillustration und -einband)

Das Gedicht vom Polarfuchs konnte vor der Perestroika nicht publiziert werden. Jetzt findet man es auf vielen Seiten im Internet. Auch in einen 2023 erschienenen Sammelband mit ausgewählten Gedichten Jewtuschenkos wurde es aufgenommen.

Hier meine eigene, möglichst wortgetreue Prosa-Übersetzung und anschließend das russische Original.

Jewgeni Jewtuschenko

Monolog eines blauen Polarfuchses auf einer Tierfarm in Alaska

Ich bin ein blauer Fuchs auf einer grauen Tierfarm,
aber kann, durch meine Farbe zum Tod verurteilt,
hinter unüberwindlichem Stacheldraht
keinen Trost darin finden, blau zu sein.

Und so versuche ich, meinen Pelz loszuwerden.
Ich wüte, scheure mir das Fell wie rasend,
aber das Blau drängt sich, sprühend und frohlockend,
mit verräterischem Glitzern wieder durch die Haut.

Und ich heule schrill, frostzitternd,
wie eine zottige Posaune des Jüngsten Gerichts.
Ich flehe die Sterne an, mir auf ewig die Freiheit zu geben
oder doch wenigstens für immer das Fell mir zu nehmen.

Ein Mister auf der Durchreise nahm mein Geheul
aufs Tonband auf. Was für ein Dummkopf!
Er selber heulte nicht und hätte doch
genauso heulen können, an diesen Ort verschlagen.

Und ich falle zu Boden, sterbensmüde,
und kann doch einfach nicht verrecken.
Mit Trauer betrachte ich mein eigenes Dachau
und weiß – niemals werde ich entkommen.

Einmal, es gab verfaulten Fisch zu Mittag,
sah ich, die Tür war nicht verriegelt,
und ich sprang in den Sternenabgrund der Flucht
mit dem Leichtsinn des Neulings.

Rings türmte sich Alaska in hohen Schneewehen,
ich galoppierte, verzweifelt, ein Aussätziger.
Die Freiheit, die ich mit den Sternen schluckte,
sie tanzte Twist in meiner Lunge.

In die Augen flogen mir mondene Karate.
Vom Mond ließ ich mich leiten und verstand:
Der Himmel ist nicht in Quadrate zerschlagen,
wie er mir im Käfig von innen erschien.

Ich schlug Purzelbäume. Ich schwatzte Unsinn
mit den Bäumen. Ich war ich selbst.
Und der schillernde Schnee fürchtete sich nicht,
genauso blau zu sein wie ich.

Aber ich wurde müde. Schneestürme rüttelten mich durch.
Meine Pfoten klebten fest, ich bekam sie nicht heraus,
und nirgends war ein Freund, eine Freundin.
Ein Kind der Gefangenschaft ist zu schwach für die Freiheit.

Wer im Käfig gezeugt wurde, weint dem Käfig nach,
und mit Schrecken begriff ich, dass ich ihn liebe,
diesen Käfig, wo man mich hinter ein Drahtnetz sperrt,
und die Tierfarm – meine Heimat.

Und ich kehrte zurück, abgerissen und zerschlagen.
Aber kaum war ich wieder in meinem Käfig,
als das Schuldgefühl zu Kränkung wurde
und Liebe sich in Hass verwandelte.

Ja, auf der Tierfarm gibt es jetzt Veränderungen.
Früher hat man uns einfach in Säcken erstickt.
Nun bringt man uns auf fortschrittliche Weise um –
mit elektrischem Strom. Sauber, immerhin.

Ich schaue die Eskimofrau an, die Züchterin.
Zärtlich gleitet ihre Hand über meinen Rücken,
ihre Finger kraulen sanft meine Mähne,
aber in ihren Engelsaugen ist Trauer.

Vor allen Krankheiten wird sie mich retten,
sie lässt mich niemals Hungers sterben,
aber ich weiß, an dem mir festgesetzten Tag
wird sie mich, wie es Vorschrift ist, verraten.

Sie wird mir, Tränen in den Augen,
das Kabel ins Maul schieben, trügerisch flüsternd …
Seid menschlich zu den Angestellten! Führt auf der Tierfarm
das Amt des Henkers wieder ein!

Ich wünschte mir naiv zu sein, so wie mein Vorfahr,
aber ich wurde in Unfreiheit geboren. Ich bin nicht wie er.
Wer mich füttert – dem bin ich ergeben.
Wer mich streichelt – der wird mich töten.

* * *

Евгений Евтушенко

Монолог голубого песца на аляскинской звероферме

Я голубой на звероферме серой,
но, цветом обреченный на убой,
за непрогрызной проволочной сеткой
не утешаюсь тем, что голубой.

И я бросаюсь в линьку. Я лютую,
себя сдирая яростно с себя,
но голубое, брызжа и ликуя,
сквозь шкуру прет, предательски слепя.

И вою я, ознобно, тонко вою
трубой косматой Страшного суда,
прося у звезд или навеки волю,
или хотя бы линьку навсегда.

Заезжий мистер на магнитофоне
запечатлел мой вой. Какой простак!
Он просто сам не выл, а мог бы тоже
завыть, сюда попав, – еще не так.

И падаю я на пол, подыхаю,
а все никак подохнуть не могу.
Гляжу с тоской на мой родной Дахау
и знаю – никогда не убегу.

Однажды, тухлой рыбой пообедав,
увидел я, что дверь не на крючке,
и прыгнул в бездну звездную побега
с бездумностью, обычной в новичке.

Вокруг Аляска высилась сугробно,
а я скакал, отчаянный, чумной,
и в легких танцевала твист свобода,
со звездами глотаемая мной.

В глаза летели лунные караты.
Я понял, взяв луну в поводыри,
что небо не разбито на квадраты,
как мне казалось в клетке изнутри.

Я кувыркался. Я точил балясы
с деревьями. Я был самим собой.
И снег, переливаясь, не боялся
того, что он такой же голубой.

Но я устал. Меня шатали вьюги.
Я вытащить не мог увязших лап,
И не было ни друга, ни подруги.
Дитя неволи – для свободы слаб.

Кто в клетке зачат – тот по клетке плачет,
и с ужасом я понял, что люблю
ту клетку, где меня за сетку прячут,
и звероферму – родину мою.

И я вернулся, жалкий и побитый,
но только оказался в клетке вновь,
как виноватость сделалась обидой
и превратилась в ненависть любовь.

На звероферме, правда, перемены.
Душили раньше попросту в мешках.
Теперь нас убивают современно –
электротоком. Чисто как-никак.

Гляжу на эскимоску-звероводку.
По мне скользит ласкательно рука,
и чешут пальцы мне загривок кротко,
но в ангельских глазах ее – тоска.

Она меня спасет от всех болезней
и помереть мне с голоду не даст,
но знаю, что меня в мой срок железный,
как это ей положено, – предаст.

Она воткнет, пролив из глаз водицу,
мне провод в рот, обманчиво шепча…
Гуманны будьте к служащим! Введите
на звероферме должность палача!

Хотел бы я наивным быть, как предок,
но я рожден в неволе. Я не тот.
Кто меня кормит – тем я буду предан.
Кто меня гладит – тот меня убьет.

Foto: Wikimedia Commons