Die niedlichen kleinen Vögel wissen nicht, dass ihr Gefieder politisch unerwünschte Farben hat. Blaugelb zu tragen kann in Russland inzwischen gefährlich werden – man riskiert unter Umständen eine Anzeige von übereifrigen Patrioten oder Handgreiflichkeiten.
Vor ein paar Tagen warnte deshalb Wladislaw Dawankow, stellvertretender Sprecher der russischen Duma, auf seinem Telegram-Kanal vor Übertreibungen und rief zu mehr Zurückhaltung auf.
Screenshot des Telegram-Posts
Die patriotische Wachsamkeit schlägt ins Absurde um. Die Direktorin einer Schule im Kreis Chanten/Mansen beschwerte sich bei der Polizei über die Mutter einer Schülerin mit „gelb-blauen“ Zöpfen. Die Mutter des Mädchens musste dem Inspektor für Angelegenheiten Minderjähriger erklären, dass es sich nicht um die Farben der ukrainischen Flagge handele, sondern um salatfarben und grün.
Letzte Woche sind in Moskau mehrere Leute wegen der Farbkombination ihrer Kleidung festgenommen worden. Am Wochenende hat die TV-Moderatorin Olga Skabejewa auf ihrem Telegram-Kanal das Foto eines Frühlingsstraußes in fliederfarbenen und gelben Farbtönen gepostet. Sie ukrainischer Propaganda zu beschuldigen ist aber niemandem gelungen: Skabejewa hat das Foto selbst nach zehn Minuten gelöscht.
Wenn wir in diesem Geist weitermachen, dann wird man in Russland demnächst anfangen, Blaumeisen abzuschießen, man wird Hunderte von Markenfirmen wegen ihrer gelb-blauen Logos schließen und mindestens eine politische Partei verbieten müssen – die LDPR. Es ist offensichtlich, dass dieser Weg absurd ist.
Wir müssen aufhören, die Menschen zu beunruhigen und im Ungewissen zu lassen. Ich rufe das Innenministerium dazu auf, Klarheit zu schaffen und eine Erklärung zu veröffentlichen, dass die Farbkombination Blaugelb kein Grund ist, Leute anzuzeigen oder festzunehmen.
Liberaldemokraten mit nationalistischem Z, aber den falschen Farben Foto: RIA Nowosti
Dawankows Appell wurde sofort von vielen russischen Zeitungen, von der Prawda bis zum Lifestyle-Magazin MoskvichMag, aufgegriffen, teils noch um weitere Vorkommnisse ergänzt – die Prawda berichtete z. B. von einem Mann, der in der Moskauer Regionalbahn einen Schuljungen wegen seines blaugelben Rucksacks angegriffen habe.
Auch Pressesprecher Dmitri Peskow hat sich mittlerweile dazu geäußert und erklärt, das sei Sache des Innenministeriums, er habe dazu nichts zu sagen – aber jedenfalls gebe es kein Gesetz über erlaubte oder nicht erlaubte Farben.