RUSSLAND HEUTE
Die folgende Anzeige erschien vor kurzem bei „VKontakte“, dem russischen Facebook, in einer 351 Teilnehmer zählenden Gruppe namens „Trödelmarkt Donezk“ („Барахолка Донецк“).

Der Text lautet:
Verkaufe Medaille, alle Dokumente vorhanden.
Vorteile: auf jeder feierlichen Veranstaltung in Donezk sieht man damit solide aus, in öffentlichen Verkehrsmitteln kann man umsonst fahren, in Warteschlangen wird man vorgelassen (manchmal), später kann man sie teurer weiterverkaufen!
Grund: Amputation beider Beine, aber das Geld für die Verwundung kommt schon seit einem halben Jahr nicht. Preis 5000 Rubel.
Die Aufschrift auf der Medaille lautet „Für Verdienste im Kampf“ („За боевые отличия“), darüber sind ein Flugzeug und ein Hubschrauber abgebildet, darunter zwei Panzerfahrzeuge. Verliehen wird die Medaille vom russischen Verteidigungsministerium, sie ist aus billigem, silberfarbigem Metall ohne besonderen Materialwert. Seit ihrer Einführung im Jahr 2003 haben sie bereits mehr als fünf Millionen Soldaten erhalten. In der langen Liste der Orden und Medaillen, die der russische Staat zu vergeben hat, steht sie ziemlich weit unten.

5000 Rubel, etwa 50 Euro, klingt erst mal ganz günstig für die mit der Medaille verbundenen Vorteile. An anderen Stellen im Internet wird sie allerdings für viel weniger Geld angeboten, im Schnitt für ein Zehntel dieser Summe.
Ob die angegebene Begründung für den Verkauf der Wahrheit entspricht, lässt sich natürlich nicht nachprüfen. Aber dass die Zahl der verwundeten Soldaten, denen Gliedmaßen amputiert werden müssen, sehr hoch ist, wurde erst vor wenigen Tagen durch Alexej Wowtschenko, den stellvertretenden Minister für Arbeit und Soziales, in einer Rede vor dem Föderationsrat bestätigt: Mehr als die Hälfte aller als Invaliden anerkannten Soldaten der „Spezialoperation“ haben, wie er sagte, Beine (80 %) oder Arme (20 %) verloren.
Wowtschenkos Rede wurde im Livestream auf der Website des Föderationsrates übertragen und in verschiedenen russischen Zeitungen zitiert. Hier ein Auszug:
„Was die Teilnehmer der Spezialoperation betrifft, werde ich öffentlich keine Zahlen nennen, aber so viel kann ich sagen, dass rund 54 % aller Begutachteten aufgrund der Amputation ihrer Extremitäten als Invaliden anerkannt worden sind. Das ist ein echtes Problem, das ist viel. Unter den Invaliden in der Zivilbevölkerung haben wir eine so hohe Prozentzahl mit Amputationen natürlich nicht. Hauptgründe für eine Amputation bei den meisten zivilen Invaliden sind Diabetes, Gefäßkrankheiten, Altersgründe oder Verkehrsunfälle.
Hier aber handelt es sich um junge Menschen – und dann ein so hoher Prozentsatz.“
https://www.politnavigator.net/veteranam-svo-s-amputirovannymi-nogami-prikhoditsya-ekhat-za-invalidnostyu-v-moskvu.html
Aus Wowtschenkos Bericht geht auch hervor, dass die Begutachtung der Invaliden, die Anspruch auf Entschädigung bzw. auf eine Rente erheben, sich schwierig und schleppend gestaltet, zum einen wegen der großen Zahl, zum anderen, weil es entsprechend spezialisierte medizinische Zentren nur in Moskau und St. Petersburg gibt – wo aber nur die wenigsten Betroffenen zu Hause sind. „Veteranen der Spezialoperation müssen für die Anerkennung als Invaliden nach Moskau fahren“ lautet denn auch die Überschrift des oben zitierten Artikels.
Ob die Orden, die Putin im Juni bei seinem Besuch im Wischnewski-Militärkrankenhaus in Moskau verwundeten Soldaten an die Brust heftete, auch irgendwann auf dem Trödelmarkt landen werden?


http://kremlin.ru/events/president/news/71351#