RUSSLAND HEUTE

Während in der Ukraine der Krieg wütet, haben in Russland die Schulferien und die Urlaubssaison begonnen. Beliebtestes Urlaubsziel russischer Touristen ist nach wie vor mit großem Abstand die Türkei. In den letzten Wochen häufen sich aber in den russischen Medien Berichte über schlechten Service und unfreundliches Personal in türkischen Urlaubsorten. Eine Kampagne mit der Botschaft, schaut her, die Russophobie hat sich sogar in der uns bisher freundlich gesonnenen Türkei verbreitet?
Der TV-Sender „Zargrad“ erklärt die angeblich schlechte Behandlung russischer Urlaubsgäste schon zu einem „Massenphänomen“ und argwöhnt einen Zusammenhang mit den „geopolitischen Geschehnissen“:
Die Russen sind alle geschockt: Die Türken in den Hotels benehmen sich rüpelhaft und suchen sich dafür Touristen aus Russland aus
Wir haben schon berichtet, dass Urlaub in der Türkei vor allem für russische Touristen teurer geworden ist. Wie sich inzwischen zeigt, ist ein hoher Preis aber nicht gleichbedeutend mit gutem Service. Die Türken benehmen sich ganz offen rüpelhaft und suchen sich dafür die russischen Gäste aus.
Mit dem Beginn der Saison werden die vereinzelten unerfreulichen Zwischenfälle in den türkischen Hotels zu einem Massenphänomen. Die Atmosphäre wird noch durch die Gegensätze aufgeheizt, die mit den geopolitischen Geschehnissen zusammenhängen. Wobei nicht nur die Nachbarn auf der Hotelliege zum Unmut beitragen, sondern auch das Personal in vielen Hotels.
Eine Reisebloggerin wird zitiert, die in einem Fünf-Sterne-Hotel beleidigt worden sei, der Manager habe sie „in gebrochenem Russisch beschimpft“ und mit Mann und Kind aus ihrem Appartement hinauswerfen wollen (warum, wird nicht gesagt):
Wie sich dann herausstellte, hat dieses Hotel einen schlechten Ruf bei russischen Touristen. „Wir werden nicht bedient“, „über uns ist man nicht wirklich erfreut“ – im Internet kann man solche und ähnliche Aussagen über dieses türkische Hotel finden.
Etwa 90 % der Gäste im Hotel sind Deutsche, hauptsächlich ältere Leute. Das Personal ist ganz auf sie orientiert. Die Angestellten des Hotels sprechen fließend Deutsch, aber die russische Sprache ist für sie ein Buch mit sieben Siegeln. Sie bemühen sich übrigens auch gar nicht, Russisch zu lernen. In den Hotelbewertungen wird geschrieben, Beschwerden seien zwecklos, das Personal reagiere nicht.
(Der Link, der hier am Ende des Zitats ursprünglich stand und auf die Website von „Zargrad“ führte, ist inzwischen nicht mehr erreichbar, da die EU die Seite im Dezember 2023 sanktioniert und blockiert hat.)
Außer fehlenden Sprachkenntnissen und der Bevorzugung deutscher Rentnerinnen und Rentner sind die als nicht gerechtfertigt empfundenen Preissteigerungen das Hauptärgernis. Die Zeitung „Ekonomika segodnja“ („Wirtschaft heute“) zitiert einige Bewertungen aus russischen Reiseportalen:
„Die Preise für Flüge aus Deutschland in die Türkei sind viermal billiger als die aus Russland. Dazu kommt, dass die türkischen Hotels selber unverhältnismäßig teuer geworden sind, über die Inflation hinaus. Und die Gastfreundschaft der Türken gegenüber den russischen Gästen schmilzt wie Schnee im Frühling. So schaut es aus. Wir suchen uns andere Urlaubsorte“, schreibt Juri.
„Die Geldgier der Fluggesellschaften und der türkischen Hoteliers übersteigt jedes Maß. Sollen sie doch platzen vor Gier“, schreibt Aleksandr S.
„Wenn man den Kurs der Lira verfolgt, dann wird einem klar, dass es keine Preissenkungen geben wird. Zu glauben, dass Urlaubsreisen billiger werden, während alles andere teurer wird, ist sehr naiv“, meint Marina M.
https://tinyurl.com/2xmrwxce
Eine andere Reisebloggerin beschwert sich über die flexible Preispolitik der türkischen Hoteliers und Kaufleute. In Geschäften und Restaurants seien mit Absicht die Preisschilder entfernt worden:
Man kommt in ein Geschäft, und es gibt überhaupt keine Preise, nichts, alles weg. Nicht weil sie es vergessen hätten oder gerade Inventur machten – nein, das ist einfach ihre Politik. Dem einen Kunden verkauft man das Wasser für zehn Lira, dem anderen für 30, und am nächsten Tag wollen sie 40 haben. Das macht einen wirklich wütend. Und dasselbe in den Restaurants, bei Eis, bei Gebäck – ja, nicht überall, aber es nervt.
https://tinyurl.com/3hjcz4es
Schaut man sich die Bewertungen türkischer Hotels durch russische Urlauber näher an, relativieren sich die negativen Rezensionen allerdings rasch als Einzelfälle. Das räumt dann auch „Ekonomika segodnja“ in einem einige Tage später veröffentlichten Artikel ein:
Russische Reisende beklagen sich neuerdings öfter über unverschämtes Benehmen in türkischen Badeorten. Tourismus-Experten berichten von der tatsächlichen Situation.
Roman Bobylew, Verwaltungschef des Allrussischen Touristenvereins, sagte, dass die Experten keinen merklichen Anstieg negativer Einstellung gegenüber Russen in der Türkei feststellen konnten. Er erinnerte daran, dass dieses Land sich seinen Gästen gegenüber immer freundlich gezeigt habe.
Die Berichte, dass sich das Benehmen gegenüber Russen verschlechtert habe, würden sich durch die Resonanz im Internet verbreiten, erklärte er. (…)
Dmitri Dawydenko von der staatlichen Tourismusagentur Rosturism fügte noch hinzu, ihm sei nichts von massenhaften Angriffen auf Touristen in der Türkei bekannt. Einzelfälle kämen vor, aber die habe es auch schon vor vielen Jahren gegeben.
https://rueconomics.ru/24106712-tureksperti_rasskazali_kak_k_rossiyanam_otnosyatsya_na_turetskih_kurortah
Der Vizepräsident der Assoziation russischer Touristikunternehmen, Artur Muradjan. gab letzte Woche der „Komsomolskaja Prawda“ ein Interview und sagte u. a.: „Gibt es eine Alternative zur Türkei? Ganz ehrlich – nein, es gibt sie nicht und es wird auch keine geben.“ Er führte dafür eine Reihe von Gründen an, wie die vielen verfügbaren Linienflüge aus allen Regionen Russlands, die riesige Auswahl an Hotels in allen Preisklassen und die im Vergleich mit anderen Urlaubsgegenden sehr lange Badesaison.
Für den Sommer 2023 werden drei Millionen russischer Türkeiurlauber erwartet (letztes Jahr waren es noch fünf Millionen), wie auf dieser Grafik des russischen Touristikverbandes mit der Überschrift „Die beliebtesten ausländischen Urlaubsorte“ dargestellt. Auf dem zweiten Platz nach der Türkei steht mit einer Million erwarteter Gäste Abchasien (das zu Georgien gehört und völkerrechtlich gesehen kein selbständiges Land ist). Vor allem Suchumi an Abchasiens Schwarzmeerküste war schon zu Sowjetzeiten, als es noch kein Ausland war, ein überaus beliebter Urlaubsort der Sowjetbürger.
Es folgen auf den weiteren Plätzen die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Thailand, die Malediven, Kuba und Sri Lanka. In der mittleren Spalte steht die Zahl der russischen Urlauber, in der Spalte rechts der Durchschnittspreis für einen zehntägigen Kompletturlaub für zwei Personen (in Tausend Rubel).
Der russische Botschafter in Ankara, Alexej Jerchow, gab dieser Tage in der „Parlamentskaja Gaseta“ seinen Landsleuten noch einige gute Ratschläge für einen erfolgreichen Urlaub mit auf den Weg, darunter auch den, sich friedlich zu verhalten und keine Schlägereien anzuzetteln. Denn dafür komme man in Untersuchungshaft, und da die türkische Justiz äußerst langsam arbeite, könne der Aufenthalt dann schon mal mehrere Monate länger als beabsichtigt dauern.
https://www.pnp.ru/social/posol-rossii-v-turcii-dal-neskolko-poleznykh-sovetov-turistam.html